Fakultativ pathogene freilebende Amöben
Autor/en: J. Schottelius
Letzte Änderung dieser Seite: 18.05.2010
Erreger:
Von den freilebenden Amöben, die im Erdboden und in Gewässern vorkommen, treten bei den Gattungen Naegleria, Acanthamoeba, Balamuthia und Sappinia humanpathogene Arten auf: Naegleria fowleri; Acanthamoeba castellani, A. culbertsoni, A. hatchetti, A. polyphaga, A. rhysodes, A. griffini, A. quina, A. terricola, A. lenticulata, A. jacobsi u.a.; Sappinia diploidea; Balamuthia mandrillaris.
Merkmale:
Die Gattung Naegleria (Percolozoa, Vahlkamphiidae - zurzeit 24 Arten) bildet neben amöbenähnlichen Trophozoiten (10-30 μm - Abb. 1) und Zysten (7-14 μm) auch zweigeißelige Flagellatenstadien aus. Sie ist im Boden und Süßwasser zu finden. Nur N. fowleri ist humanpathogen. N. fowleri toleriert in heißen Quellen Temperaturen bis zu 45 Grad Celsius.
Die Gattung Acanthamoeba (Amoebozoa, Acanthamoebidae) bildet Amöben (15-30 μm - Abb. 2 und Abb. 3) und Zysten (18 μm und kleiner) aus. Die Zysten sind doppelwandig und zeigen eine Exo- und Endozyste, die die ruhende Amöbe umschließen. Sie sind zu finden im Süß-, Salz-, Brackwasser und in Böden.
Die Gattung Balamuthia (Amoebozoa, Acanthamoebidae) ist ebenfalls freilebend. Ihr Entwicklungszyklus umfasst die Amöben (12-60 μm - Abb. 4) und Zysten (10-30 μm). Die Zystenwand ist dreischichtig, die Zystenoberfläche ist runzelig. Vorkommen in Süß- und Salzwasser, Erdboden, Staub, Aerosolen.
Die Gattung Sappinia (Amoebozoa, Thecamoebida) bildet Amöben (45-85 μm - Abb. 5) und Zysten (13-37 μm) aus. Sie besitzt gleichzeitig zwei Kerne, kann aber auch ein- bis vierkernig sein. Die humanpathogene Form ist zweikernig. Die Zysten sind dickwandig. Verbreitet sind sie im Boden, Süßwasser und Dünger; sie wurden im Kot von Rindern, Büffeln, Eidechsen und Elch gefunden.
Diagnostik:
Der Nachweis von Naegleri fowleri (Percolozoa, Vahlkampfiidae) ist schwer zu führen, da die Infektion sehr schnell zum Tode führt. Durchführung einer Lumbalpunktion mit Untersuchung der Cerebrospinalflüssigkeit, Nasenschleimhaut als Infektionsweg beim Baden, Autopsie, Kultur, PCR.
Nachweis von Acanthamoeba spp. (Amoebozoa, Acanthamoebidae) auf Kultur und im Hirngewebe, Liquor, Kontaktlinsen, Aufbewahrungsgefäß der Kontaktlinsen bei Acanthamöba-Keratitis sowie Corneaspäne auf Kultur geben; bei Acanthamöba-Dermatitis und Hautläsionen Hautbiopsie; bei Pneumonie Lungengewebe, Bronchiallavage sowie Sputum untersuchen; Kultur (def. Medium DGM-21A [Schuster FL 2002] ), PCR.
Der Nachweis der Sappinia-diploidea-Infektion (Amoebozoa, Thecamoebidae) erfolgte nach NMR-Bildgebung des Gehirns. Hirn-Biopsat mittels chirurgischen Eingriffs und Anfertigung von Kryostatschnitten; Haematoxylin-Eosin- und Giemsafärbung. An der Doppelkernigkeit ist diese Amöbe erkennbar. Kultur mit NF Agar plus reichlich E.coli [Page FC 1991].
Infektionen mit Balamuthia mandrillaris (Amoebozoa, Acanthamoebidae ) kann bei Pneumonie im Sputum und Lungengewebe nachgewiesen werden, Bronchiallavage durchführen. Bei Dermatitis oder Hautläsionen Hautbiopsie durchführen; Kultur anlegen; bei
Balamuthia-Encephalitis (NMR-Bildgebung) Hirn-Biopsat, Liquor bzw. Autopsiematerial auf Kultur (def. Medium BM-3 [Schuster FL 2002] ).
Klinische Symptome:
Patienten mit einer Acanthamoeba-Infektion zeigen Kopfschmerzen, Nackensteife, Müdigkeit, Verwirrtheit, Übelkeit, Erbrechen, Nichtbeachtung von Personen und der Umgebung. Granulomatöse Amöbenencephalitis (GAE).
Bei einer Acanthamoeba-Keratitis zeigen die Patienten u.a. ausgeprägte Photophobie, haben okuläre Schmerzen, Tränenfluss, Hornhautulcera, diffuse Entzündung der Cornea.
Patienten mit einer Naegleria-fowleri-Infektion entwickeln eine primäre Amöben-Meningoencephalitis (PAM), die fatal verläuft. Inkubationszeit 1 bis 14 Tage. Die Patienten haben Kopfschmerzen, Desorientierung, Überkeit, Erbrechen, Lichtscheue, Gleichgewichtsstörungen und Koma. Schneller Verlauf, vier bis fünf Tage nach dem Auftreten der Symptome kann der Tod eintreten. Die Amöben können in der Spinalflüssigkeit gefunden werden; die Diagnose ist oft erst post mortem möglich.
Der Patient mit einer Sappinia-diploidea-Infektion hatte eine Amöbenencephalitis. Als Symtome gelten Kopfschmerz, Lichtscheue, Erbrechen, Bewusstlosigkeit.
Die Infektion mit Balamuthia mandrillaris führt beim Menschen zur Balamuthia-Granulomatösen-Encephalitis (BGE). Intranasale (nasopharyngiale) Infektion wie bei Naegleria und Acanthamaoeba mit Befall des Gehirns und der Lunge (Pneumonitis) aber auch Befall der Haut (Dermatitis, nach Verletzung).
Therapie: Eine Infektion mit N. fowleri kann erfolgreich mit Amphotericin B behandelt werden. Der Infektionsverlauf ist aber meistens so schnell, dass eine Diagnose nicht schnell genug erfolgt. Erfolgreich wurden auch Kombinationen von Medikamenten eingesetzt z.B. Amphotericin B, Miconazol, Rifampin, Sulisoxazol und andere Medikamente. Das gleiche gilt auch für die Behandlung von Acanthamaoeba-Infektionen, Acanthamoeba-Keratitis und Balamuthia-Infektionen [Schuster FL 2004]. Eine Kombination aus Azithromycin, Pentamidin, Itraconazol und Flucytosin war bei der einzigen bisher beschrieben Infektion mit Sappinia diploidea erfolgreich [Gelman BB 2001] [Gelman BB 2003].
Literaturreferenzen:
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Gelman BB, SJ Rauf, R Nader, et al. ( 2001 ). Amoebic Encephalitis due to Sappinia diploidea. JAMA 285: 2450-2451.
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Gelman BB, V Popov, G Chaljub et al. ( 2003 ). Neuropathological and ultrastructural features of amoebic encephaalitis caused by Sappinia diploidea. J Neuropath Exp Neurol 62: 990-998
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Nerad TA, Visvesvara G, PM Daggett (1983). Chemically defined media for the cultivation of Naegleria; pathogenic and high temperature tolerant species. J Protozool 30:383-387
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Page FC, FJ Siemensma ( 1991 ). Gattung Sappinia Dangeard, 1896. In: Protozoenfauna Band 2, Hrsg Dieter Matthes, Gustav Fischer Verlag Stuttgart, New York, pp 84-86
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Schuster FL (2002). Cultivation of pathogenic and opportunistic free-living amebas. Clin Microbiol Rev 15: 342-354.
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Schuster FL, GS Visvesvara ( 2004 ). Opportunistic amoebae: challenmges in prophylaxis and treatment. Drug Resistance Updates 7:41-51
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