Liquor - Zellen des angrenzenden Raumes
Autor/en: H. Strik, I. Nagel
Institution/en: Klinik für Neurologie, Philipps-Universität Marburg
Serie zuletzt geändert am: 27.11.2009
Liquorraumnahe Zellen stammen aus Regionen, die dem Liquor angrenzen; aus diesen liquorraumnahen Regionen können sie in den Liquor gelangen. Im Rahmen der Punktion können Knorpelzellen oder auch Knochenmarkszellen in den Liquor eingebracht werden wie auch normales peripheres Blut. Nicht iatrogen können Zellen aus den Ventrikelplexus oder dem Ependym, aber auch leptomeningeale Zellen in den Liquor gelangen.
Das Vorkommen liquorraumnaher Zellen ist nicht pathologisch, die Zellen müssen streng von pathologischen Zellen getrennt werden. Sie werden leicht erkannt als Zellen, die nicht dem normalen Spektrum der physiologischen Liquorzellen angehören und führen deshalb leicht zu Verwechslungen mit pathologischen Zellen, z.B. mit Tumorzellen. Deshalb ist die Kenntnis und Erkennung dieser Zelltypen wichtig, um Fehldiagnosen sowie durch die korrekte Einstufung als Normvariante aufwändige Zusatzuntersuchungen und Belastungen des Patienten zu vermeiden.
a) Peripheres Blut (Abb. 1, 2, 4, 5, 8, 9, 10 und massiv in den Abb. 3, 11, 12)
Im Rahmen der lumbalen Liquorentnahme ist eine Beimengung von peripherem Blut aus angrenzenden Gefäßen häufig nicht zu vermeiden. Eine geringe Blutbeimengung ist für die zytologische Auswertung nicht störend. Größere Blutmengen behindern dagegen die Auswertung erheblich, da die physiologischen Liquorzellen gequetscht werden und im Extremfall nicht mehr sicher bewertbar sind. Die Abgrenzung einer artifiziellen Blutbeimengung von einer vorbestehenden Einblutung in den Liquorraum - z.B. bei einer Subarachnoidalblutung (SAB) - ist nicht immer banal. Hilfreich ist es, schon während der Abnahme zu beobachten, ob der Liquor während des Abtropfens klarer wird und ihn ggf. in 3 konsekutive Röhrchen zu portionieren (3-Gläser-Probe) zum makroskopischen und mikroskopischen Vergleich. Bleibt die Blutbeimengung makroskopisch oder bei der Zählung in allen 3 Proben konstant, spricht dies für eine vorbestehende Blutung. Zytologisch sind Zeichen der Phagozytose von Erythrozyten pathognomonisch (s. Blutungen in den Liquorraum, Erythrophagen, Siderophagen).
b) Knorpelzellen (Abb. 2)
Während der Lumbalpunktion kann die Nadel zu weit vorgeschoben werden und die Bandscheibe erreichen, wodurch eine Beimengung von Knorpelzellen entsteht. Diese sind nur wenig größer als normale Lymphozyten oder Monozyten, wirken aber durch ihre intensive Färbung auf den ersten Blick bösartig. Jedoch lassen sich Knorpelzellen mit etwas Erfahrung sicher identifizieren und von malignen Zellen unterscheiden.
c) Plexuszellen (Abb. 3)
Zellen der an die Ventrikel angrenzenden Gewebe wie Ependym oder Plexus sind häufiger im zytologischen Präparat zu finden und rasch als fremdartig zu erkennen, aber nicht immer sofort zuzuordnen. Diese Zellen haben keinen Krankheitswert.
Plexuszellen stammen aus den Liquor produzierenden Plexus chorioidei. Sie sind etwas kleiner als Ependymzellen, mehr basophil (violett) gefärbt und rundlicher geformt.
d) Ependymzellen (Abb. 4, 5)
Ependymzellen entstammen dem die Ventrikel auskleidenden epithelialen Gewebe. Sie sind ca. 1,5-2-fach größer als kleine Lymphozyten und durch ihre ovalen Zellkerne und das rosa, watteartige Zytoplasma gekennzeichnet.
e) Leptomeningeale Zellen (Abb. 6)
Zellen der Leptomeningen entstammen der weichen Hirnhaut (Arachnoidea). Sie sind kleiner als Plexus- oder Ependymzellen, ebenfalls violett gefärbt, haben einen länglichen Kern und treten sehr häufig in Zellverbänden auf.
f) Knochenmarkzellen (Abb. 7-10)
Vielen Kollegen ist nicht bewusst, dass auf dem Weg zum Liquorraum die Punktionsnadel ohne sonderliche Belastung für den Patienten und ggf. sogar unbemerkt durch den Arzt so tief in den Knochen eindringen kann, dass Knochenmarkzellen in das Präparat gelangen. In diesem Falle kann es leicht zur Fehldiagnose einer hämatologischen Neoplasie kommen. Die beste Unterscheidungsmöglichkeit ist die Identifizierung von Zellen aus unterschiedlichen Entwicklungsreihen und in unterschiedlichen Reifestufen. Am leichtesten identifizierbar sind Promyelozyten, deren granuliertes Zytoplasma charakteristisch ist. Wenn zusätzlich z.B. Normoblasten als Vorstufen auch der roten Reihe aufzufinden sind, kann eine Knochenmarkbeimengung angenommen werden. Andererseits kommen Zellen mit Granula im Zytoplasma sonst kaum vor. Dies ist lediglich z.B. bei den seltenen Meningeosen durch eine AML der Fall, bei denen allerdings ausschließlich dieser Zelltyp zu finden ist, so dass hier die Verwechslungsgefahr gering ist.
g) Nervenzellen (Abb. 11)
Nervenzellen können insbesondere dann in das Zellpräparat gelangen, wenn Gewebefragmente in der Probe sind. Das kann z.B. nach Operationen oder bei Proben aus Ventrikeldrainagen der Fall sein. Nervenzellen zeichnen sich wie im histologischen Präparat durch ihre lang gezogene dreieckige Form und den Nukleolus im Zellkern aus. Manchmal ist sogar das abgehende Axon zu erkennen.
h) Kapillargefäße (Abb. 12)
Blutgefäße finden sich praktisch ausschließlich in Proben von Ventrikeldrainagen, die nach der operativen Anlage immer auch kleine Partikel von Hirngewebe fördert. Die Erkennung von Kapillaren stellt kein größeres Problem dar.
i) Hautepithelzellen (Abb. 13)
Auf dem Weg zum Liquorraum durchquert die Punktionsnadel natürlich zuerst die Epidermis. Insbesondere wenn ohne eigene Einführungsnadel mit derselben Nadel Kutis durchquert und Liquorraum erreicht wird, können Hautepithelien in die Probe gelangen, die Bakterien enthalten können. Dies ist kein Zeichen einer bestehenden oder durch die Punktion verursachten Infektion und kann dadurch erkannt werden, dass die Bakterien nicht intrazellulär gelegen sind.