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Infektiöse Mononukleose
Autor/en: F.-G. Hagmann
Letzte Änderung dieser Seite: 20.04.2004
Zusammenfassung
Bei der infektiösen Mononukleose handelt es sich um eine fieberhafte Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV). Die Infektion läuft im Kindesalter oft unbemerkt ab. Typische Symptome bei einer Infektion im Erwachsenenalter sind: Pharyngitis, Kopfschmerzen, Fieber, Enanthem, Lymphknotenschwellung, Tonsillitis, seltener Hepatosplenomegalie.
Neben der Klinik findet sich ein typisches Blutbild mit einer Vermehrung atypischer lympho-monozytoider Zellen (Virozyten).
Darstellung insbesondere der Aspekte der (hämatologischen) Diagnostik sowie Bildserien.
Erreger und Erkrankung
Die infektiöse Mononukleose wird durch das Epstein-Barr-Virus verursacht (EBV). Das EB-Virus gehört zur Gruppe der Herpes-Viren (HHV 4). Außer mit der Mononucleosis infectiosa wird das Virus auch mit der Genese von Tumorerkrankungen in Zusammenhang gebracht:
- Burkitt-Lymphom,
- Nasopharynxkarzinom,
- ZNS-Lymphome bei Immunsuppression,
- sonstige B-Zell-Lymphome bei Immunsuppression,
- EBV-assoziierte Lymphome bei immunkompetenten Patienten,
- Kofaktor bei Morbus Hodgkin,
- T-Zell-Lymphome.
Die orale Haarleukoplakie ist bei schwerem Immundefekt (AIDS) eine weitere klinische Manifestation von EBV.
Historie
Erwähnt wurde das Krankheitsbild erstmals von Pfeiffer 1889. Die Blutbildveränderungen hat Türk 1907 beschrieben. Sprunt und Evans prägten 1920 den Begriff "infektiöse Mononukleose". Der Nachweis heterophiler Antikörper wurde von Hanganutziu (1924) und Deicher (1926) erbracht. Von Paul und Bunnell wurde die Reaktion als typisch für die Mononukleose beschrieben (1932). Das Epstein-Barr-Virus wurde am Middlesex Hospital 1964 in London von den beiden Namensgebern elektronenmikroskopisch entdeckt. 1968 wurde der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Virus von Henle und Mitarbeitern belegt.
EBV-Infektion
Der erste Kontakt mit dem Virus ruft eine lebenslange latente Infektion der B-Lymphozyten hervor. Die Ansteckung erfolgt durch direkten Kontakt oder Tröpfcheninfektion. Die Erkrankung wird auch als "kissing disease" bezeichnet. Die meisten Fälle finden sich im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter, bei einem Hämatologen mit langjähriger Erfahrung war der älteste Patient 50 Jahre alt.
85% aller Patienten mit akuter Mononukleose scheiden Virus aus (Speichel). Das kann über Monate kontinuierlich oder intermittierend anhalten. Bei etwa 15-20% aller gesunden asymptomatischen Patienten wird infektiöses Virus in größeren Mengen im Speichel gefunden. Die Inkubationszeit beträgt etwa 14-50 Tage.
Pathogenese, Virusvermehrung
Die atypische Lymphozytose bei infektiöser Mononukleose ist bedingt durch die Proliferation von CD8+ T-Lymphozyten. Diese unterstützt die Elimination der infizierten B-Lymphozyten. Das EBV-Virus zeigt eine spezifische Affinität zu humanen B-Zellen. In diese kann es eindringen durch Bindung an den CR2(CD3d)-Rezeptor. Die infizierten B-Lymphozyten sterben durch Virusreplikation ab. Dieser Typ der Infektion wird als permissiv bezeichnet.
Im anderen Falle findet Virusreplikation in der Zelle statt ohne Produktion von infektiösen Viruspartikeln (nicht-permissive Infektion). Im lezteren Falle ist das Virusgenom präsent als zirkuläres Episom und kann auch in die DNS des Wirtes integriert werden. Die primäre Infektion der B-Lymphozyten wird als latent, d.h. nicht Virus produzierend angesehen. Die Infektion der epithelialen Zellen wird primär als lytisch, d.h. Virus produzierend angesehen.
Die Präsenz von zirkulärer oder integrierter Virus-DNS führt zur B-Zell-Proliferation. EBV-infizierte B-Lymphozyten verbreiten sich im gesamten lymphatischen System und erscheinen auch in der Zirkulation. Die Persistenz von infizierten B-Lymphozyten für den gesamten Lebenszeitraum einer infizierten Person ist nachgewiesen. Bei den im Differenzialblutbild nachweisbaren atypischen Lymphozyten handelt es sich um eine reaktive Proliferation von CD8+ T-Lymphozyten und von natürlichen Killer-Zellen. Dadurch kommt es im Allgemeinen zu einer erheblichen Reduktion der latent infizierten B-Zellen im Verlauf einiger Monate. Sie nehmen auf etwa eine pro 105-106 B-Zellen ab. Dies bleibt ein Reservoir für Persistenz oder Reaktivierung.
Es gibt auch eine humorale Immunantwort (siehe Antikörper), als Resultat einer polyklonalen B-Zell-Stimulation, diese ist jedoch für die Kontrolle der Infektion nicht relevant. Man nimmt an, dass die zelluläre Antwort vor allem für die Kontrolle und für die Prävention EBV-induzierter lymphoproliferativer Erkrankungen verantwortlich ist.
Symptomatik
Symptome: Fieber, generalisierte Lymphknotenschwellung, Angina, Hepato-Splenomegalie, mononukleäres Blutbild, Exanthem, Enanthem, heterophile Antikörper, selten Meningitis oder Meningoenzephalitis, Hepatitis, Myokarditis, aseptische Arthritis.
Komplikationen und Verlauf
Der Krankheitsverlauf ist allgemein spontan ausheilend, tödliche Verläufe sind bei primär gesunden Patienten äußerst selten. Die Prognose ist gut, Komplikationen sind selten (z.B. Milzruptur, Guillain-Barré-Syndrom).
Fatale EBV-Infektionen kommen beim "X-linked lymphoproliferative syndrome" (XLP) vor. Hierbei handelt es sich um eine kräftige zytotoxische zelluläre Antwort, die vor allem polyklonal aktivierte alloreaktive zytotoxische T-Zellen erfasst. Bei den betroffenen Männern kommt es zu schweren Lebernekrosen, die Patienten, die überleben, behalten einen schweren zellulären Immundefekt mit defizienten T-Zellen, B-Zellen und natürlichen Killer-Zellen. Die genetische Veränderung bei XLP ist aufgeklärt. Außerdem kann bei EBV-Infektion ein infektionsassoziiertes hämophagozytotisches Syndrom auftreten (Fieber, Myalgie, Lebervergrößerung. pathologische Leberwerte, Gerinnungsstörung, Milz- und Lymphknotenvergrößerung, Panzytopenie und ausgeprägtes Kranksein).
Diagnostik
Der Erregernachweis durch Virusisolierung oder PCR ("polymerase chain reaction", Polymerase-Kettenreaktion") spielt für die Diagnostik keine Rolle. Heterophile Antikörper können im Paul-Bunnell-Test nachgewiesen werden. Dieser fällt bei Erwachsenen in etwa 10-15% der Fälle falsch negativ aus, bei Kindern sogar bei 20%. Heterologe Agglutination liegt auch dem Mononukleose-Schnelltest zugrunde. Ein Titer unter 1:16 wird als negativ angesehen, ein Titer über 1:16 als positiv. Im IFT (Immunfluoreszenztest) oder ELISA ("enzyme-linked immuno sorbent assay") können quantitativ IgG- und IgM-Antikörper nachgewiesen werden. EA, Anti-EBNA-1 und VCA-IgG sind Antikörper gegen "early Antigen", nukleäres Antigen und Virus-Kapsid-Antigen. Zur Differenzierung von akuten und reaktivierten EBV-Erkrankungen werden Antikörperprofile eingesetzt. Alternativ kann der Befund durch eine einzige Bestimmung im Immunoblot/Lineassay (IgG) erhoben werden. Fälle mit negativem Anti-EBNA-1 und positivem VCA-IgG können durch eine Bestimmung des p18-IgG im Immunoblot oder Lineassay mit rekombinanten Antigenen endgültig beurteilt werden.
Hämatologische Befunde im Krankheitsverlauf
Etwa ab der zweiten Woche tritt bei dieser Erkrankung eine Leukozytose von zumeist 10.000 bis 30.000/µl auf. Selten kann die Leukozytenzahl auch normal sein. Im Differenzialblutbild treten bis über 70% atypische lymphatische Zellen auf. Diese zeigen die Morphologie von Lymphozyten, lymphoplasmozytoiden Zellen, Plasmazellen sowie Zellen mit der Größe von Monozyten, die einen runden oder gebuchteten Zellkern (selten gelappt) aufweisen ("Pfeiffer-Zellen", "Lymphomonozyten", "Virozyten"). Auffällig ist die morphologische Variabilität der Zellen. Auch im Krankheitsverlauf wechselt das Erscheinungsbild der Zusammensetzung der genannten Zelltypen. Vakuolen und azurophile Granulation können auftreten. Die größeren Zellen neigen dazu, zwischen den umliegenden Erythrozyten zu zerfließen bzw. sich diesen mit ihrem Zytoplasma anzulegen. Verschiedene Erscheinungsformen der Mononukleosezellen wurden früher auch als Downey-Zellen Typ I-III eingeteilt, diese Einteilung spielt heute zur morphologischen Beurteilung keine Rolle mehr.
Wird das Blutbild bei infektiöser Mononukleose mit einem Blutbildautomaten untersucht, findet sich meist eine Verschiebung des Verhältnisses von Lymphozyten zu Granulozyten zugunsten der ersteren und eine absolute Lymphozytose, außerdem eine Erhöhung der nicht klassifizierbaren Zellen, eine Erhöhung des LUC-Wertes ("Large Unstained Cells") sowie ein Hinweis auf atypische Zellen und Blasten. Eine Übereinstimmung zwischen den gefundenen LUC und dem Anteil der Pfeiffer-Zellen bei der Durchmusterung ist nicht immer gegeben, da die kleineren von ihnen den Lymphozyten zugeordnet werden. Eine bessere Übereinstimmung ergibt sich aus Lymphozyten plus LUC im Blutbildautomaten sowie Lymphozyten und Pfeiffer-Zellen im Mikroskop.
Die Erkrankung kann von einer hämolytischen Anämie und einer Thrombozytopenie begleitet sein.
Knochenmark
Das Knochenmark ist meist ohne wesentliche Auffälligkeiten, selten werden vermehrt lymphoplasmozytoide Zellen und Plasmazellen gefunden, nur in Ausnahmefällen bei meist klinisch schwerer Erkrankung werden reaktive Veränderungen mit einem höheren Anteil von atypischen Zellen gefunden, die dann differenzialdiagnostische Schwierigkeiten vom morphologischen Aspekt bieten können.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch kommen beim "Syndrome mononucléosique" weitere Erkrankungen in Betracht: Mit Angina handelt es sich fast immer um eine infektiöse Mononukleose. Ohne Pharyngitis kommen in Betracht: infektiöse Mononukleose, HIV, CMV, Hepatitis, Varizellen, Herpes, Röteln u.w. Bei Fehlen einer Viruserkrankung ist zu denken an: Syphilis (Stadium II), Brucellose, Oslersche Erkrankung, Toxoplasmose, akute allergische Reaktion, angioimmunoblastisches T-Zell-Lymphom (AILD).
Therapie
Virustatika haben keinen durch Studien abgesicherten positiven Effekt. Wenn bei schwersten Verläufen mit Komplikationen eine Therapie klinisch geboten erscheint, können Valaciclovir oder Famciclovir verwendet werden. Auch ein günstigerer Ausgang durch eine Therapie mit Kortikosteroiden ist nicht durch Studien abgesichert und sollte daher schwersten Komplikationen vorbehalten sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch Eingriffe in das Immunsystem des Mononukleose-Kranken eventuell langfristige Effekte bezüglich des Verhaltens des EBV erzielt werden können. Über den Einsatz einer adoptiven T-Zell-Therapie bei EBV-assoziierter lymphoproliferativer Erkrankung nach Transplantation wurde berichtet. Berichte über allogene Stammzelltransplantation bei XLP liegen vor. Ampicillin sollte zur Behandlung sekundärer bakterieller Infektionen wegen des häufigen Vorkommens eines Exanthems nicht eingesetzt werden.
Spätkomplikationen der EBV- und der CMV-Infektion
(Quelle: Prof. P.S. Mitrou) |
EBV
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CMV
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Hämolyse
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H
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S
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Thrombozytopenie
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S
|
S
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Knochenmarkaplasie
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S
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0
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Ikterus
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S
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0
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Guillain-Barré*
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S
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H
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Encephalitis*
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H
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S
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Myelitis*
|
S
|
S
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Niereninsuffizienz
|
S
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0
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Pneumonitis*
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S
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S
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Myokarditis*
|
S
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0
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Aggammaglobulinämie
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S
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0
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H = Häufig
S = Selten
0 = kommt nicht vor
* = kann ohne klinische Zeichen der Infektion auftreten
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