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Fragmentozyten
Engl.: "schistocytes"; franz.: "schizocytes"; im Deutschen häufig synonym gebraucht: Schistozyt, Schizozyt
Autor/en: F.-G. Hagmann
Letzte Änderung dieser Seite: 18.03.2011
Fragmentozyten sind Erythrozyten, die gekappt, halbiert oder ausgestanzt wirken können. Sie können auch in zwei oder mehrere Teile zerschnitten werden, so dass dreieckförmige oder unregelmäßige Bruchstücke entstehen (wie Granatsplitter). Sie kommen vor bei hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS), thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura (TTP), Herzklappenfehlern, mechanischen Herzklappen, Verbrauchskoagulopathie, Verbrennungen, auch bei anderen Anämien, selten auch vereinzelt bei Gesunden.
Als Folge der Fragmentation können wiederum Zellformen entstehen, denen eigene Namen zugebilligt werden. Z.B. Keratozyt für einen Schistozyten, der zwei oder mehr Spiculae (oder "Hörner") aufweist. Für gekappte Erythrozyten, die (zweidimensional) die Form eines Helmes aufweisen, wird der Begriff "Helm" auch zur Formkennzeichnung verwendet. Die Bezeichnung Helmzelle wird allerdings (dreidimensional) auch zur Beschreibung von Codozyten eingesetzt ("greek helmet cell"). Manche Autoren behalten den Ausdruck Schistozyt auch besonders bizarr geformten fragmentierten Zellen vor.
Für die Befundung von Blutpräparaten ist daher anzuraten, nach der Beschreibung abnorm geformter Erythrozyten (Sammelbegriff Poikilozyten) und insbesondere Fragmentozyten, denen man durchaus die o.g. beschriebenen Formmerkmale geben darf, eine Wertung in Richtung einer Ursache zu finden:
Erstens: Ist die Fragmentation das wesentliche Phänomen? Sehen die übrigen Erythrozyten normal aus? Dann geht die pathogenetische Überlegung in Richtung einer äußeren Ursache. Es handelt sich dann im engeren Sinne um Schistozyten. Da das von unmittelbarer klinischer Bedeutung sein kann, sogar der Schlüssel zur Diagnose (HUS, TTP), sollte sofortige Rücksprache und Mitteilung erfolgen. Klinische Angaben liegen bei Blutausstrichen häufig nicht vor. Handelt es sich dann um einen weniger dringenden Befund, wie um eine mechanische Herzklappe, ist auf jeden Fall nichts versäumt worden.
Zweitens: Lässt sich die Fragmentation einer anderen Ursache zuordnen, die an den übrigen Erythrozyten zu erkennen ist? Sieht man Targetzellen, Tränentropfen, Normoblasten und weiße Vorläuferzellen? Dann ist an eine den Erythrozyten oder der gesamten Hämatopoese innewohnende Erkrankung zu denken. Hier wird eine bekannte Diagnose (z.B. Thalassämie oder Myelofibrose) häufig auch mitgeliefert.
Der Fragmentozyt hat somit eine allgemeinere Bedeutung als der Schistozyt, obwohl er die gleichen morphologischen Phänomene beschreibt.
Nach Fragmentozyten/Schistozyten muss man im Ausstrich vor allem schon im Rahmen der initialen Diagnostik suchen, wenn es sich klinisch um Krankheitsbilder handelt, die zu einem HUS oder einer TTP passen.
Die alleinige Blutbilderstellung mit einem automatisierten Gerät, das mit Kombinationen der Verfahren Laser-Streulicht, Absorption, Fluoreszenz-/optischer Flow-Zytometrie und -Zytochemie sowie Widerstandsmessung arbeitet (z.B. Beckman Coulter, Sysmex und Siemens) ist ohne zusätzliche Auswertung unzureichend. Es lassen sich zwar Erythrozytenzerstörung, ausgeprägte Anisozytose bei Auftreten von Erythrozytenbruchstücken, Hinweise auf die Hämolyse (indirekt) und die Thrombozytopenie (direkt) diagnostizieren, der Nachweis von typischen Fragmentozyten gelingt aber nur mikroskopisch. Über Analyse-Programme
(Sysmex) kann mit den Parametern des automatisch erstellten Blutbildes eine wahrscheinliche Diagnose ausgesprochen werden. Die mikroskopische Absicherung einer mikroangiopathischen hämolytischen Anämie vor den sich ergebenden therapeutischen Konsequenzen durch einen versierten Diagnostiker ist aber anzustreben.
Der Vollständigkeit halber wird noch auf die familiäre Form der thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura (Upshaw-Shulman-Syndrom) hingewiesen.
Die Vorstellung von der Bildung und Umformung von Schistozyten und Erythrozytenfragmenten ist in der Literatur ausführlich beschrieben [Bessis M 1976] [Bessis M 1977].
Literaturreferenzen:
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[No authors listed]. Die Detektion einer mikroangiopathischen hämolytischen Anämie (MAHA) mit Hilfe automatisierter Blutbildparameter des XE-5000. Fall des Halbjahres (MAHA). Sysmex Xtra 2/2007
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Zimmerhackl LB, et al. Das hämolytisch-urämische Syndrom. Dtsch Arztebl 2002; 99; 157-62(B).
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Biecker E,. et al. Nierenversagen, Thrombozytopenie und hämolytische Anämie bei einem 36-jährigen Patienten. Internist 2001;42:1031-1034. PMID:11476045
[Medline]
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